Reise durch die Heldenlandschaft

Braunschweiger Zeitung vom 17.04.2017, Rainer Sliepen

 

Wer die Konzertangebote des Organisten  und Pianisten Hans-Dieter Meyer-Moortgat wahrnimmt, weiß: Hier wird Anspruchsvolles, ja auch Anstrengendes serviert. Wer den Kleinen Konzertsaal in der Spittastraße in Peine deshalb meidet, bringt sich um Einsichten und vor allem um Hörvergnügen. Das betrifft besonders sein aktuelles Programm mit Werken aus Romantik und Impressionismus. 

 

Zu Beginn Cesar Francks (1822 bis 1890) Orgelwerk „Piece Heroique“ („Heldenstück“), das Farbenreichtum und Klangfülle einer romantischen Cavaille-Coll-Orgel verlangt. Zugespielt aus der digitalen Samplebibliothek hört das Publikum genau diesen Klang und wandert mit dem Organisten durch eine „Heldenlandschaft“.  Mit chromatischen Abstürzen, Klangballungen, monumentalen Bassblöcken, aber auch lichten meditativen Momenten wird ein zerrissener Held lebendig, übermenschlich, zweifelnd, emphatisch und im brausenden Finale von überdimensionaler, überwältigender Größe. Meilenweit entfernt von Bachs „kristallklarer“ nüchterner Objektivität? Cesar Franck und Franz Liszt (1811- 1886) haben das anders gesehen und sich mit ihren kompositorischen Mitteln als Nachfolger des Thomas-Kantors verstanden. Das wird besonders ohrenfällig in der Anverwandlung der barocken Fugentechnik. Meyer-Moortgats Kontrapunktik aus Francks „Prelude, Chorale et Fugue“ kommt auf dem Flügel geradezu „klassisch“ transparent und hörerfreundlich daher und verwandelt sich dann in ein glitzernd funkelndes Gebilde ineinander verschlungener Strukturen von nie nachlassender Spannung, von Formenreichtum und Dynamik. Auch Franz Liszt hat Bach mit einer Fuge über „B-A-C-H“ ein Denkmal gesetzt. Meyer-Moortgat beginnt wie ein Kathedralenerbauer mit· dem mächtigen basslastigen Themenfundament, schichtet gewaltige Klangblöcke, variiert wie in freier Virtuosität. Dann die Fuge, die hier in konsequenter Synthese die Themendurchführung mit persönlichem Ausdruck und Virtuosität verschmilzt. Hier endet die Analyse, es bleibt nur Staunen über Feuer, Farbenreichtum, Leidenschaft, Kühnheit der Erfindung. Und dann mit den „Consolations“ („Tröstungen“) ein anderer Liszt, zart, melodiös, schlicht, von großer Liebenswürdigkeit. Der mächtige Fazioli-Flügel ist zu voluminös für die elfenleichten Stückchen, die hier eine Spur zu diesseitig und kunstvoll geraten sind.

 

Zum Finale wiederum auf dem Flügel „Gaspard de la nuit“ nach Gedichten von Aloysius Bertrand von Maurice Ravel (1875-1937). Aufrauschend und flirrend die „Wassernixe“, fahl und unheimlich „Der Galgen“ und von atemnehmender klavieristischer Akrobatik der „Kobold“. Langer Beifall, zwei Zugaben und die Erkenntnis, dass Anspruch und Hörgenuss sich wunderbar ergänzen.